Lidumil Alikalfić

Als wenn ein Teil meines Körpers brannte

Lidumil Alikalfić ist der Architekt der ZETRA in Sarajevo, in der am 28. Juli 1991 das Friedenskonzert "Yutel za mir" stattfand. Die Olympiahalle wurde am 21.5.1992 mit Granaten beschossen. Seither war Lidumil Alikalfic nicht mehr dort, einem Interview in der ZETRA stimmte er erst nach langem Zögern zu.

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Ich war noch sehr jung, Mitte 30, als ich mich Mitte der Siebziger mit meinem Kollegen um die Ausschreibung für den Bau der Mehrzweckhalle beworben haben. Sarajevo hatte da noch gar nicht den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 1984 erhalten. Und dass wir die Halle bauen durften, kam völlig überraschend. Eigentlich sollte sie auch gar nicht so groß werden, nachdem aber 1978 klar wurde, dass die Stadt die Spiele ausrichten würde, mussten wir unsere Pläne erweitern. Schließlich brauchte die Halle für die Abschlussfeier und die Eishockey-Wettbewerbe 12.000 Sitzplätze. Besonders stolz bin ich auf unsere Idee, auf dem Dach der Zetra eine zweite Eisfläche anzulegen. Auf diesem 400 Meter langen Oval fanden die Eisschnelllauf-Wettbewerbe statt, so etwas hatte es vorher noch nicht gegeben. Mein Lieblingsplatz war allerdings unten, auf dem Parkett der Halle, ich habe früher selbst Basketball gespielt. Sportler gefällt es da unten am besten, wenn sie sehen, dass oben alles voll ist. 

Zetra ist die Abkürzung für "zelena transversala", das heißt: grüne Transversale. Dieses grüne Band zieht sich durch Sarajevo, von den Bergen auf der einen Seite, durch den Stadtkessel bis rüber zu den Bergen auf der anderen Seite. Mitten hinein in dieses Band haben wir die Halle gebaut. Die Rasenplätze vor der Halle fügen sich sehr gut in diesen grünen Gürtel der Stadt. Auch heute kann man noch immer einen fast fünf Kilometer langen Spaziergang quer durch Sarajevo machen, und man ist dabei immer im Grünen und muss kaum eine Straße benutzen. Die Sportplätze sind heute aber Friedhöfe. Mir gefällt die Abkürzung Zetra bis heute, auch wenn einige den Namen missinterpretieren und behaupten, das Grün stehe für den Islam, und das grüne Band ziehe sich von Sarajevo über Albanien bis zur Türkei und sei Symbol für ein neues Osmanisches Reich.

An das Konzert „Yutel za Mir“ kann ich mich kaum erinnern, ich weiß aber, dass es ein Riesenereignis war. Und die Zetra war ein würdiger Ort dafür. Keine neun Monate später wurde sie mit Granaten beschossen. Das war am 21.Mai 1992. Ein Tag, den ich nicht vergesse, weil auch meine Wohnung zerstört wurde. Ich kann gar nicht sagen, was schlimmer war, dass mein Zuhause weg war oder mein Lebenswerk.

Wie ferngesteuert haben wir versucht, die Halle zu löschen, aber das machte uns nur zu Zielen für ihre Scharfschützen. Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, wir alle haben Hörner, sie müssen uns nur wachsen. Es liegt also an uns, wie wir werden. Sie haben uns jedenfalls den Brand nicht löschen lassen, die Zetra brannte aus. Als ich davor stand, fühlte es sich an, als wenn ein Teil meines Körpers brennen würde. Ich war seither nicht mehr hier. Was auch daran liegt, uns keiner gefragt hat, als die Halle 1999 wieder aufgebaut wurde. Wir sind komplett ignoriert worden, das hat mich schwer verletzt. Denn Zetra ist immer noch meine Halle. Man kann sich von seinem Kind doch nicht lossagen, egal ob es nach links geht oder nach rechts, ob es schwul wird oder was auch immer. Es bleibt dein Kind.