Želimir Altarac Čičak

„Ich bin als Pazifist geboren“

Želimir Altarac Čičak gehört zu den bekanntesten Figuren der Musikszene in Ex-Jugoslawien, und er ist es, der am besten erzählen kann, mit welcher Energie sich die Musikszene auch nach Ausbruch des Krieges noch für den Frieden einsetzte.

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Am 14.10.1989 habe ich in der ZETRA-Halle ein Festival organisiert. Wir nannten es „YU-Rock-Marathon“. Mein 20-jähriges Jubiläum in der Musikbranche war der Anlass. 20 der bekanntesten Bands aus unserer ehemaligen gemeinsamen Heimat, so nenne ich Jugoslawien, waren mit dabei. Zehn Stunden lang spielten sie ihre Musik vor 20.000 Menschen. Die Medien nannten es den YU-Rock-Marathon der Rock-Einheit.

Zwei Jahre später fand in der ZETRA das Friedenskonzert „Yutel za mir“ statt. Das war deshalb so bedeutsam, weil es im Juli 1991 kurz vor Ausbruch des Krieges passierte. Das Konzert schaffte es, Menschen und Künstler aus verschiedensten Gegenden an einem Ort zu versammeln. Alle gemeinsam leisteten noch einmal einen Beitrag für ein gemeinschaftliches Leben auf dem Territorium unserer ehemaligen gemeinsamen Heimat.

Želimir Čičak beim "YU-Rock-Marathon" am 14. Oktober 1989 in Sarajevo

Ich selbst war nicht auf dem Konzert. Ich machte Urlaub auf der wunderschönen Insel Mljet in Dalmatien. Trotzdem weiß ich alles darüber, weil ich alle Musiker und Organisatoren persönlich kannte. Es war aber nicht DAS Friedenskonzert – es war eines von vielen zu dieser Zeit.

Ich habe erst spät verstanden, dass der Krieg tatsächlich wütet. Selbst als das Haus der Jugend zerstört war, hatte ich das Gefühl, das alles höre bald auf. Stattdessen wurde es schlimmer und schlimmer.

Das Haus der Jugend, der „Dom Mladih“ in Sarajevo, ist für mich ein sehr bedeutsamer Ort. Es war damals und ist bis heute ein Kultort. Diesem Haus entwuchs die Musikszene Sarajevos. Es existiert keine Band, die hier nicht schon einmal gespielt hat. Ich arbeitete dort als Musikredakteur von 1984 bis 1992 – selbst als es schon unter Granatenbeschuss stand. Im November 1991, also nach der Veranstaltung in der ZETRA, habe ich in diesem Haus ein Konzert organisiert, das wir „YU-Heavy-Metaller für den Frieden“ nannten. Das Ganze dauerte zwei Tage.

Alle kamen sie: Divlje Jagode, Tifa, Künstler von Koper bis Skopje, vom Vardar bis zum Triglav. Doch aufgrund der Kriegsgeschehen war es einigen schon nicht mehr möglich die Grenzen zu passieren. Trotzdem war es ein Rock-Fest der Brüderlichkeit und Einigkeit. Es war das letzte seiner Art in unserer ehemaligen gemeinsamen Heimat. Zu diesem Zeitpunkt waren wir immer noch große Optimisten. Deshalb lief die Veranstaltung auch unter dem Motto „Lieder kennen keine Grenzen“. Keiner von uns ahnte, was uns noch bevorstehen würde. Wir haben einfach nicht glauben wollen, dass uns so etwas passieren könnte, was uns letztendlich doch passiert ist.

Ich bin als Pazifist geboren. Das sagt bereits mein Name: Želi Mir, wünscht Frieden. Meine Eltern wollten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, dass ich einfach nur in Frieden lebe.

Ich glaube immer noch an die Existenz guter Menschen. Konflikte entstehen aus unterschiedlichen Interessen, die keine guten menschlichen Tugenden in sich tragen. Dabei geht es um Gier, um Geld und andere Sachen. Das sind jedoch die Anfänge von zwischenmenschlichen Missverständnissen, die sich zu universellen Missverständnissen entwickeln können und dann in Konflikten oder Kriegen enden. Deshalb unterstütze ich alle Menschen, die daran arbeiten, dass auf unserem Planeten Frieden herrscht. Nicht einmal während des Krieges habe ich die Hoffnung aufgegeben.

Želimir Altarac Čičak mit den Musikern des Festivals "YU-Heavy-Metaller für den Frieden", welches am 15. und 16. November 1991 stattfand

Ich habe sowieso erst recht spät verstanden, dass der Krieg tatsächlich wütet. Selbst als das Haus der Jugend zerstört war, hatte ich das Gefühl, das alles höre bald auf. Ich dachte, das wird schnell beendet. Stattdessen wurde es schlimmer und schlimmer. In dem Moment als die Republiken ausgerufen wurden und die Teilung des Landes erfolgte, wusste ich, dass es ohne größere Konflikte nicht gehen würde.

1993, als Sarajevo also bereits stark zerstört war, habe ich ein Konzert unter dem Motto „Give Peace a Chance“ organisiert, in Anlehnung an das legendäre Lied von John Lennon. Ein großer Teil der Musiker, die noch in Sarajevo waren, haben dort gespielt. Sie haben sogar einen Teil des Musicals „Hair“ einstudiert. Fast unvorstellbar so etwas während des Krieges zu machen. Zu dieser Zeit konnte ich auch Joan Baez für ein Konzert in die Stadt holen. Als sie den Musicalteil von uns hörte, war sie begeistert – das ging medial um die ganze Welt.

Die Musikerin Joan Baez gemeinsam mit Želimir Čičak bei ihrem Konzert in Sarajevo am 14. April 1993

Joan Baez‘ Konzert fand am 14. April 1993 im Kino „Imperijal“ statt. Es war sehr riskant, das Ganze auf die Beine zu stellen, da Sarajevo unter stetigem Beschuss stand. Trotzdem war das Kino voll mit Menschen. Joan Baez fragte mich damals, welches unserer Lieder sie singen könne. Ich schlug ihr „Sarajevo, ljubavi moja“ (Sarajevo, meine Liebe) von Kemal Monteno vor, und sie studierte es in nur einer Nacht ein. Ich habe ihr den Text nachmittags gegeben, und am nächsten Tag konnte sie es. Mit diesem Konzert – mitten im Krieg – wollten wir erneut zeigen, dass Frieden menschliche Freiheit ist, Raum für Inspiration und dass Frieden Zukunft bedeutet.

Ich gehöre der Hippie-Generation an, der Zeit von „All you need is love“ und „Blowing in the wind“. Diese Lieder tragen Botschaften in sich, als seien sie heute geschrieben worden. Das sind Nachrichten für die Ewigkeit. Und auch meine Botschaft sieht so aus: Menschen müssen sich respektieren, einander wertschätzen und das in einer Umgebung der Toleranz und Liebe, denn nur das kann die Zukunft unseres Planeten sein. Böswilligkeit und Kriege haben noch nie jemandem Glück gebracht.